Salon Mondaine #15 — Being Peace – Lead with Love and Awareness

22.02.2017 / Berlin

Dr. Scilla Elworthy (Autorin, Gründerin Oxford Research Group, Peace Direct & Rising Women Rising World)

Prof. Dr. Tania Singer (Direktorin, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig)

Text: Jana Petersen, Fotos: Detlev Schneider


Am Ende bittet uns Tania Singer, ein paar Minuten zu schweigen, unsere Nachbarinnen, alle Frauen im Raum zu spüren. Mir wird warm. Mein Herz klopft. Mein Atem wird ruhig. Meine Wangen werden feucht. Und in die Stille hinein singt Ilhem. Sie läd uns ein, ihren Gesang zu tragen, ihn mit einem Summen zu unterstützen. Ich fühle mich wie in einem Rausch. Verbunden mit hunderten Frauen.

Zwei Stunden zuvor, der Abend des 22. Februar 2017 ist stürmisch. In Charlottenburg, so hört man, seien Masten umgefallen. Der Regen dröhnt an den Fenstern. Das Politbüro ist rappelvollmit 200 Frauen, kein Stuhl frei, Frauen stehen in den Gängen. Und da sind sie: Scilla Elworthy, 73, Grande Dame des Friedens, Aktivistin mit Mission. Dreimal nominiert für den Friedensnobelpreis. Gründerin der Oxford Research Group, die jahrzehntelang den Austausch zwischen Atommächten ermöglicht hat. Gut bekannt mit dem Dalai Lama, Nelson Mandela, Desmond Tutu. Und dann ist da Tania Singer, 48, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften, führende Mitgefühl-Forscherin. Ein Trumm von einer Frau, ihr Lachen kriege ich Tage später nicht aus meinem Ohr.

„Being Peace – Lead with Love and Awareness“, Führen mit Liebe – ist das Thema des 15. Salon Mondaine, darüber wollen sie berichten. Andrea Thilo führt durch den Abend – „die Anwältin des Publikums“ nennt sie sich heute, „geleitet von euren Fragen“, denn Yasmine Orth, Gastgeberin und Gründerin von „The Lovers“ hatte die Gäste vor dem Salon gebeten, ihre Fragen mit ihr zu teilen.

„Warum sind wir hier?“ fragt Scilla Elworthy. „Und: warum jetzt?“ Unsere Erde, sagt sie, sei konfrontiert mit Bedrohungen, die wir nicht mit Waffen bekämpfen könnten. Klimawandel, Migration, Überbevölkerung, Cyberkriege. Die einzige Chance, die wir haben, sei in einem Zitat von Albert Einstein zu finden: „Kein Problem kann auf der selben Bewusstseinsebene gelöst werden, auf der es entstanden ist.“ Ihre Conclusio: Wir brauchen nicht nur einen Bewusstseinswandel, sondern einen Bewusstseinssprung. Und den können wir, jede und jeder für sich sofort tun.

Dafür könnten wir brauchen was Elworthy „Feminine Intelligence“ nennt. Darunter versteht sie Fähigkeiten wie Mitgefühl, inklusives Denken und Handeln, echtes Zuhören, Authentizität und Regenerierung. Sie erzählt von Menschen, die sie mit ihrer Organisation „Peace Direct“ unterstützt. Menschen, die mit diesen Fähigkeiten lokal Frieden schaffen. Sie erzählt von Gululai Ismael, einer junge Frau in Nordpakistan, die in Koranschulen geht, und potentielle Selbstmordattentäter durch zuhören und Dialog davon überzeugt, sich und andere nicht in die Luft zu sprengen.

„Sustainability is over“, sagt sie. „Nachhaltigkeit ist vorbei. Was wir jetzt brauchen ist Regeneration, also Neuentstehung.“ Sie sei davon überzeugt, dass wir alle unseren Teil zum Frieden und Gerechtigkeit in der Welt betragen können. In dem wir uns unseren eigenen Kriegen stellen und dann in unserem Bereich Wandel erzeugen.

Scilla Elworthy und Tania Singer hatten sie sich bei einer Konferenz kennengelernt, im vergangenen Jahr saßen sie gemeinsam mit dem Dalai Lama auf dem Podium. „Wir haben die selben Themen“, sagt Singer, „wir teilen die selben Fragen.“ Singer weiß, was es bedeutet, in einem männlich geprägten Umfeld zu führen. Sie ist Wissenschaftlerin, sie forscht über Mitgefühl – offene Türen ist sie damit nicht eingerannt. Sie erzählt von ihrem „schizophrenen Leben“ als Psychologiestudentin, als sie auf der einen Seite „ganz normal“ wissenschaftlich arbeitete, und auf der anderen Seite im verborgenen Retreats besuchte, Meditation und Rituale kennen lernte.

„Spiritualität war damals im wissenschaftlichen Umfeld ein absolutes Tabu“, sagt sie. Also fing sie an, sie mit den Methoden ihres Faches zu erforschen. Sie belegte das Prinzip der Interdependenz, sie steckte als erste betende Mönche in einen Scanner. Sie hat hunderte Hirne gescannt und dabei eine entscheidende Entdeckung gemacht: Empathie und Mitgefühl unterscheiden sich fundamental.

„Ich hatte einen erfahrenen Mönch im Scanner“, erzählt sie, „und bat ihn, ,compassion‘ zu empfinden. Ich nutzte das englische Wort damals synonym für Empathie.“ Etwas seltsames geschah. Nicht der Hirnbereich von Empathie wurde aktiviert, ein Bereich, der etwas mit Alarm zu tun hat. „Aua“, sagt dieser Bereich, „ich fühle deinen Schmerz.“ Aktiviert wird statt dessen der Bereich im Gehirn, der mit Belohnung assoziiert ist. Es war nicht Empathie, das der Mönch herstellte. Es war Mitgefühl. Etwas, das den Körper nicht in Alarm versetzt, ihn zeitweise sogar lähmt – sondern etwas, das mit Liebe und Akzeptanz verknüpft ist.

Und wie machen wir das nun, jede für sich, jeden Tag? Was können wir konkret tun? „Dem Drachen begegnen“, sagt Scilla Elworthy. Sich seinen „Feinden“ stellen, ob es Politiker sind, mit denen wir ins Gespräch kommt, der Bankdirektor, dem wir eine Mail schreiben, warum wir zu einer anderen Bank wechseln (Anm. v. The Lovers: z.B. Gls Bank) – oder die eigenen Drachen, die eigenen Konflikte, sei es mit dem Ex-Partner, den Eltern, den Nachbar. „Ich habe so viele Menschen in all den Jahren gesehen, die Frieden stiften wollen – und nur Chaos angestellt haben. Weil sie ihre eigenen Konflikte nicht bearbeitet haben.“ Frieden, das habe sie in den 50 Jahren als Aktivistin gelernt, sagt Elworthy, kommt von innen und von unten. Er geschieht lokal, als Graswurzelbewegung. Frieden, sagt sie, geschieht in uns. „Wir sind sicher. Wir sind satt. Wir haben ein Dach über dem Kopf. Wir sind gebildet. Und niemand schießt auf uns. Wir haben die Kraft, etwas zu ändern.“

Tania Singer plädiert für einen ethische Erziehung des Mitgefühl. Denn Mitgefühl bringt Menschen in Aktion, das hat sie in ihren Untersuchungen herausgefunden. Darum hat sie ein Programm mit Übungen einer säkularen Ethik entwickelt. Das weltliche ist ihr wichtig. „Wenn wir in den Religionen bleiben“, sagt sie, „wird es immer weiter Kriege geben.“

Einige Rotweine später verabschiede ich mich von Tania Singer. Sie hat gerade ihre Mitbewohnerin aus Studienzeiten wiedergetroffen. „Ist das nicht lustig“, sagt sie. Sie lacht sich kaputt. „Früher haben wir Jura und Psychologie studiert. Und grad frag ich sie: Bist du noch Anwältin? Und sie ist jetzt Schamanin! Und ich erforsche Meditation. Verrückt!“

Bevor ich gehe, schaue ich mich noch einmal um. Es sind lauter ehemalige Sprecherinnen des Salon heute hier. Da ist Margret Rasfeld, die dabei ist, das Schulsystem zu transformieren. Da ist Dr. Maja Göpel, die das Wuppertal Institut leitet und Ökonomie neu definiert. Da ist Andrea Bury, die ein Social Business in Marokko gegründet hat. Da ist Iris von Tiedemann, die als Leadership Coach in der Wirtschaft unterwegs ist. Joana Breidenbach, die betterplace.org gegründet hat, eine Spendenplattform. Magdalena Schaffrin, die Meilensteine in der nachhaltigen Mode gesetzt hat. Patricia Thielemann, die Yoga in Berlin bekannt gemacht hat.

Da steht Alexandra Feldner, die mit ihrem FemmeQ-Summit im vergangenen Jahr die Brücke zur internationalen Organisation „Rising Women Rising World“ geschlagen hat.

Und da sind 190 andere Frauen. Schön, stark und klug. Wir sind bereit, denke ich. Wir stehen auf für etwas. Für Liebe, Verbundenheit, Frieden. We are ready to serve.


Text: Jana Petersen, Fotos: Detlev Schneider


Unser Dank gilt unseren Partnern und natürlich dem ganzen Team

Die Sprecherinnen, Moderation, Musikerin und Gastgeberin sind ausgestattet worden von unserem Premium-Partner hessnatur. Wir danken unseren weiteren Partnern Pukka, Pukka Herbs Deutschland, Lillet und unseren Medienpartnern emotion, emotion slow, Working Women, maas, enorm, good impact und Peppermynta.

  • Der Salon Mondaine ist Soultank, Symposium und Networking-Plattform in Einem. Nach Frankfurt am Main im Dezember 2017, sind wir zum ersten Mal in Hamburg im 25hours Hotel in der Hafencity zu Gast und freuen uns sehr!

    Unsere Mission: Lead with Love – Female Empowerment & Leadership.

    Durch weibliche Vorbilder und ehrliche Begegnungen wollen wir uns mit zeitgeistigen Themen auseinandersetzen und miteinander wachsen. Der Salon Mondaine, eines der Signature Events von The Lovers, ist 2010 ins Leben gerufen worden, um moderne Weiblichkeit zu erforschen und kennenzulernen - ganz unter Frauen. Als regelmäßig stattfindender „Co-Creation-Space“ hatten wir in bisher 20 Salons über 74 wegweisende Unternehmerinnen und weibliche Vorbilder auf der Bühne und präsentieren deren persönliche Erfolgsgeschichten, Business-Insights, Trends und Lösungen im Kontext des Themas. Immer im Fokus: Der Impuls, die Welt zu einem sinnvolleren Ort zu machen und die persönliche, ganzheitliche, berufliche Entwicklung als moderne Frau. Mehr als 2.680 Change Maker, Trendsetterinnen, kreative Macherinnen, Innovatorinnen, Entrepreneurinnen und Journalistinnen waren zu Gast. Dabei funktioniert der Salon auch altersübergreifend und versteht sich als Dialog zwischen den Generationen. Salon Mondaine #1–20

Zurück
Zurück

Salon Mondaine #16 — Balance in Business

Weiter
Weiter

„Pioneering the Possible — Awakened Leadership for a World that works”, Workshop mit Dr. Scilla Elworthy